Die "geilste Metzgerei der Welt"
Geschäftsführer TAGWERK BIO Metzgerei Reinhold Gromotka (l.) freut sich mit Betriebsleiter Jürgen Weig (r.) über das besondere Geschenk von Susanne Hoyer, Bürgermeisterin in Langenbach

Wir feiern uns, weil´s uns nicht wurscht ist!
„Jetzad hob i Betriebstemperatur“, meint Jürgen Weig augenzwinkernd, bevor er in ungewohnter Kleidung, Lederhose und T-Shirt, in ebenso ungewohnter Umgebung bestens gelaunt ins Mikrophon ruft: „Mia san die geilste Metzgerei der Welt!“ Im Festzelt zeigen die Gäste mit lautem Applaus ihre Zustimmung. Der Metzgermeister und Betriebsleiter freut sich sichtbar über den Erfolg der Jubiläumsfeier zum Zehnjährigen. Nach monatelanger Planung stimmt an diesem Tag von den Röstaromen der Grillwürste, über den richtigen Garpunkt des Schweinebratens bis hin zum Wetter alles: „Das habe ich so bestellt und das wurde geliefert“, meint Weig lachend, bevor er erklärt: „Mit so einer Veranstaltung können wir sehr gut zeigen, worin bei uns der Unterschied liegt. Verbraucher sehen auf den ersten Blick nicht, warum unsere Produkte hochpreisig sind. Deshalb machen wir auch über den ganzen Tag Betriebsführungen.“
Drei Männer ein Gedanke
Rund 500 Menschen jeden Alters, darunter Langenbachs Bürgermeisterin Susanne Hoyer (CSU) und Bezirkstagsmitglied Simon Schindlmayr (CSU), finden über den Tag verteilt den Weg dorthin, wo sich sonst eher Has´ und Igel „Gute Nacht“ sagen: ins oberbayerische und idyllisch gelegene Niederhummel. Wer´s nicht weiß: das liegt zwischen Freising und Moosburg. Seit zehn Jahren arbeitet dort ein engagiertes Team, um die Ursprungsidee des Vorstands der Tagwerk-Genossenschaft, Reinhard Gromotka, Bio-Landwirt Lorenz Kratzer und Metzgermeister Bernhard Renner, umzusetzen. Die Initiatoren treibt damals ein gemeinsamer Traum an: die Fleisch- und Wurstproduktion zu revolutionieren. Sie wollen mit ihrem Betriebskonzept ein Vorbild schaffen, das sich im Wesentlichen auf drei Säulen stützt: respektvoller Umgang mit den Tieren auf ihrem letzten Weg, schlachtwarme Verarbeitung, um chemisch aufbereitete Zusatzstoffe ausschließen zu können und so weit wie möglich das ganze Tier zu verwerten.
Keine Geheimnisse
Das Möglichkeit am Festtag hinter die Kulissen blicken zu können und sich mit eigenen Augen von der Umsetzung des Plans überzeugen zu können, kommt bei den Gästen gut an. Neugierig warten sie auf die Führungen von Betriebsleiter Weig und Metzgermeister Oliver Wange. Ihre Fragen während des Gangs vom Stall durch die Produktionsstätte reichen von „Wie genau macht Ihr Eure Wurst?“, „Wie schafft Ihr´s, dass die Wurst so gut schmeckt?“, „Warum habt Ihr jedes Jahr Lehrlinge, da andere Betriebe händeringend suchen?“ bis „Wo kann ich eure Wurst kaufen, warum gibt es so wenig Verkaufsstellen in München?“ Geduldig beantworten die erfahrenen Fachmänner auch kritische und sensible Punkte: „Wie wird so geschlachtet, dass das Tier möglichst wenig davon mitbekommt?“. Die Fleischexperten schätzen das Interesse der Teilnehmer: „Wir begrüßen das sehr, denn wir haben nichts zu verbergen. Wir sind gläsern und die Resonanz gibt uns Recht“, sagt Weig: „Die Menschen haben uns bestätigt, wie gut sie es finden, Antworten zu bekommen. Sie gehen mit neuen Eindrücken nachhause.“
Hand in Hand für kompromisslose Qualität
„Die TAGWERK Biometzgerei ist ein Gemeinschaftsprojekt. Stadt und Land, Verbraucher und Bauern sind hier beteiligt. Zusammen haben sie es finanziell gestemmt und zusammen haben sie für gute Qualität gesorgt“, erläutert Gromotka und spricht auch die besonderen Herausforderungen, Krisen und finanzielle Engpässe des vergangenen Jahrzehnts an: „Trotz allem haben wir nie daran gedacht qualitativ Abstriche zu machen. Wir arbeiten ohne Phosphate, Citrate und Nitritpökelsalz. 100% Natur – sonst nix! Jetzt haben wir eine Produktionsstätte mit eigener Schlachtung für die Region, die vorbildlich ist.“ Zu verdanken sei das vor allem dem „großartigen Produktionsteam“, das im Ausbildungsbetrieb beständig gute Arbeit leiste, betont der Geschäftsführer. Inzwischen arbeiten zwei ehemalige Azubis als „gestandene Gesellen“ mit. Ein guter Ansatz findet Gromotka: „Jetzt müssen wir uns noch verstärkter um eine noch konsequentere Vermarktung kümmern und gute und zuverlässige Verkaufsstellen in den Ballungszentren etablieren. Außerdem müssen wir selbst Verkaufspersonal ausbilden. Fleisch- und Wurstfachverkäufer ist ein Beruf, der wieder sexy werden muss.“
So und nicht anders!
Am Ende des Tages sind sich Geschäftsführer und Betriebsleiter einig: „Es war ein tolles Fest mit vielen interessierten Menschen, alten Bekannten, Unterstützern und jungen Leuten.“ Auffällig sei das gestiegene Interesse an die Herstellung von Fleisch und Wurst, resümiert Reinhard Gromotka: „Dafür haben wir es gemacht, damit man sich trifft und austauscht und gemeinsam feiert, junge und alte Menschen aus Stadt und Land.“ Jürgen Weig ergänzt: „Wir können auf niemanden einwirken, ob jemand als Vegetarier, Veganer oder als Allesesser leben möchte. Aber, wer sich dazu entscheidet Fleisch konsumieren zu wollen, kann sich über die gute Qualität der Lebensbedingungen der Tiere, die behütet unter den Gesichtspunkten des Tierwohls aufgewachsen sind, informieren und entsprechend das Kaufverhalten steuern. Unser Augenmerk beginnt mit der Kinderstube des Erzeugers bis hin zur Schlachtung und der Herstellung.“ Das klinge ein wenig makaber, bekennt Weig, gleichzeitig stellt er fest: „Schlussendlich muss es heißen: Wenn Fleisch, dann so!"


